Wildbiene des Monats Juni 2021: Frühe Ziest-Schlürfbiene (Rophites algirus, PÉREZ 1895)
Die Frühe Ziest-Schlürfbiene ist unsere Wildbiene des Monats Juni 2021. Diese Bienenart ist eine echte Feinschmeckerin. So müssen die Weibchen, um an den leckeren Pollen zu gelangen, mit dem Kopf gegen die Blütenwand stoßen. Mit ihren am Kopf sitzenden borstigen Erntehörnchen kommt sie so erfolgreich an den Pollen kleinerer Blüten. Nachdem sie sich zunächst mit dem zuckerhaltigen Nektar gestärkt hat folgt die Pollenernte. Mit diesen besonderen Borsten erzeugt sie an der Blüte hörbare Summ-Impulse (buzzing). Die Staubblätter kommen so in Schwingung. Der Blütenpollen fällt leichter heraus. Im Nachgang bürstet sie diesen mit ihren Vorder- und Mittelbeinen zum Pollenspeicher. Diese Haarbürste sitzt an ihren Hinterbeinen.
Die mit 8 bis 10 Millimeter kleine Biene besticht durch breite, helle Endbinden und einen stark vorgewölbten Kopfschild. Ihr Aussehen verknüpft sich unmittelbar mit ihrem Verhalten beim Pollensammeln. Auffällig sind dabei die relativ tief sitzenden Fühler. Die Nahrungsspezialistin fliegt ausschließlich auf Lippenblütler. Dabei sammelt sie mit Vorliebe am Ziest (Stachys), zumeist am Aufrechten Ziest (Stachys recta). Bisweilen fliegt sie auch auf Heil-Ziest (Stachys officinalis) und Wirbeldost (Clinopodium vulgare).
Die Frühe Ziest-Schlürfbiene fliegt von Mitte Juni bis Mitte Juli. Als wärmeliebende Art bevorzugt sie Trockenstandorte wie Magerrasen, Waldsäume und Brachen. In den vier Wochen Lebenszeit als fliegendes Insekt muss sie sich paaren, ihr Nest in selbstgegrabenen Hohlräumen anlegen, die Brutzellen mit Proviant für ihre Nachkommen versorgen und anschließend verschließen. Reichlich Programm für so ein so kleines Bienchen.
Die Nistgänge errichtet sie auf schütter bewachsenen Flächen. An Stellen, wo es der Boden zulässt, nisten die Tiere auch in kleinen Kolonien. Ihre Brutgänge legen sie in sandig-lehmigen Böden an. Ihre Brutzellen werden mit reichlich Pollennahrung versorgt. Für eine einzelne Brutkammer muss sie dabei mindestens 350 Blüten aufsuchen. Nachdem das Weibchen das Ei auf dem kugeligen Futterproviant abgelegt hat werden die Brutzellen vorsichtig mit Erde verschlossen. Die Bienen der kommenden Generation überwintern daraufhin als Ruhelarve. Folglich fliegt von der Frühen Ziest-Schlürfbiene nur eine Generation im Jahr.
Die Männchen erkennen wir an ihren längeren Fühlern. Sie erscheinen im Juni etwas früher als die Weibchen. Die Stammhalter patrouillieren daher an sonnigen Tagen bereits ungeduldig an den Blütenständen in sehnsüchtiger Erwartung der Weibchen. Die Fortpflanzung ist dabei ein wichtiger, aber auch der einzige Beitrag der Männchen für die kommende Generation. Nach verrichteter Arbeit finden sich die Männchen zuweilen in kleinen Schlafgemeinschaften ein. Dabei klammern sie sich mit ihren Beinen an den Futterpflanzen fest.
Zum Überleben brauchen die relativ selten vorkommenden Ziest-Schlürfbienen Nistplätze, Nistmaterial und ausreichend Nahrung. Durch die Zerstörung ihrer Lebensräume sind auch ihre letzten Bestände zunehmend gefährdet. Doch wir können konkret etwas für diese Bienenart tun: mähen Sie spät oder auch Jahr um Jahr nicht ihre Wiesen und Bankette. Wo immer möglich lassen Sie einzelne Bereiche über den Winter stehen, im besten Fall sogar über das zweite Jahr hinaus. Pflanzen Sie unseren einheimischen Aufrechten Ziest. Achten Sie dabei auf die Herkunft der Stauden. Vermeiden Sie, da wo Sie Zugriff haben, dass alle offenen Bodenflächen zuwachsen. Besonders die lückigen Mager- und Trockenrasenstandorte werden von einem Großteil der Wildbienen gerne als Nistort genutzt.
Wertvolle Tipps für die Gestaltung von bienenfreundlichen Strukturen finden Sie auf unserer Webseite: www.deutschland-summt.de/naturgarten-anlegen.html und engagieren Sie sich beim bundesweiten Pflanzwettbewerb „Wir tun was für Bienen!“: www.wir-tun-was-fuer-bienen.de
Vielleicht fragen Sie sich, wie wir auch dieser ungewöhnlichen Bienenart unter die Flügel greifen können? Ganz einfach: Lassen Sie uns die warmliebenden Biotopstrukturen erhalten. Leider müssen noch allzu häufig Streuobstwiesen Baugebieten und artenreiche Waldsäume als Holzlager weichen. Ermutigen Sie Ihre kommunalen Politikinnen und Politiker sich auch für diese Wildbienenlebensräume einzusetzen.
Und selbst können Sie artenreiche Stauden und Gehölze in ihrem Garten oder auf ihrem Balkon pflanzen. Achten Sie darauf ungefüllte, möglichst einheimische und aus der Region stammende Pflanzen zu erwerben. Und erzählen Sie ihren Bekannten wie wundersam doch unsere Insektenwelt ist. Weitere wertvolle Tipps, wie bienenfreundliche Strukturen gestaltet werden können, finden Sie auf unseren Webseiten: www.wir-tun-was-fuer-bienen.de und www.deutschland-summt.de.
Schnelle Fakten
Name |
Frühe Ziest-Schlürfbiene (Rophites algirus, Pérez 1895) |
Flugzeiten |
In einer Generation von Mitte Juni bis Mitte Juli |
Nahrung und Lebensraum |
Spezialisiert auf Lippenblütler mit Vorliebe für Aufrechten Ziest (Stachys recta). Lebt auf Trockenstandorten wie Magerrasen, Felssteppen und Brachen |
Nistweise |
Nistet unterirdisch in selbstgegrabenen Gängen. Gelgentlich auch in kleinen Kolonien |
Kuckucksbiene |
Filzige Kraftbiene (Biastes emarginatus, Schenck 1853) |
Gefährdung |
In vielen Bundesländern geringe Datenlage, Im Süden Deutschlands stark gefährdet, in Brandenburg, Thüringen und Hessen vom Aussterben bedroht, in Sachsen und Niedersachsen ausgestorben/ verschollen |
Besonderheiten |
Sammelt Pollen mit stacheligen Fortsätzen am Kopf, tief ansetzende Fühler, Männchen mit langen Fühlern. Männchen gelegentlich in Schlafgemeinschaften |
Literatur
Amiet, Felix & Albert Krebs (2012): Bienen Mitteleuropas - Gattungen, Lebensweise, Beobachtung, Haupt Verlag, Bern
Bellmann, Heiko & Matthias Helb (2017): Bienen, Wespen, Ameisen. Kosmos - Naturführer, Nestbau, Brutpflege, Staatenbildung - die besonderen Verhaltensweisen der Hautflügler
Goulson, Dave (2017): Die seltensten Bienen der Welt. Ein Reisebericht; Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Hemmer, Cornelis & Corinna Hölzer (2017): Wir tun was für Bienen. Wildbienengarten, Insektenhotel und Stadtimkerei. Kosmos, Stuttgart, 2. Auflage; 128 S.
Scheuchl, Erwin & Wolfgang Willner (2016): Taschenlexikon der Wildbienen Mitteleuropas: Alle Arten im Portrait; Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co; Wiebelsheim
Wiesbauer, H. (2017). Wilde Bienen - Biologie–Lebensraumdynamik von über 470 Wildbienen Mitteleuropas, 2. Auflage, Eugen Ulmer KG, Stuttgart.
Westrich, Paul (2019): Die Wildbienen Deutschlands; 2.Aufl., 1.700 Farbfotos; Ulmer-Verlag; Stuttgart