Wildbiene

Konkurrenz durch Honigbienen

Honigbiene auf Wiesenwitwenblume, Foto Sabine Rübensaat

Mehr als die Hälfte der über 600 in Deutschland lebenden Wildbienenarten sind bestandsgefährdet. Sie leiden an der Zerstörung von Nistplätzen – zu nennen sind hier die Landwirtschaft (Flurbereinigung, großflächige Monokulturen, intensivierte Grünland- und Ackernutzung, Wildkräuterbekämpfung) oder die Flächenverluste durch Bebauung und Versiegelung – und einem mehr und mehr eingeschränktem Nahrungsangebot durch den Verlust an Blühflächen.

Daher stellt sich die Frage, ob Honigbienen, die als Nutztiere gehalten werden, durch ihre Sammeltätigkeit zusätzlichen Druck auf Wildbienen ausüben und diese sogar in ihrem Bestand gefährden.

Diese Frage stand im Mittelpunkt des 4. Münchner Bienentalks am 23. November 2020. Es diskutierten Stefan Spiegl, Präsident des Landesverbandes Bayerischer Imker e.V., und Dr. Andreas Fleischmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator für Gefäßpflanzen, Botanische Staatssammlung München.
Georg Schlapp, Vorstand des Bayerischen Naturschutzfonds, sprach ein Grußwort, moderiert wurde von Dr. Corinna Hölzer von der Stiftung für Mensch und Umwellt.

Tabellarischer Vergleich Honigbiene / Wildbiene

Honigbienen Wildbienen
Staatenbildend (8.000 Arbeiterinnen im Winter, 50.000 im Frühjahr/ Sommer) Meist solitär/ einzeln lebend
Hummeln bilden kleine Staaten (150-600 Indiv.)
Eine Königin Keine Königin
Eine Art in Deutschland/ Europa (Mitteleurop. Honigbiene, Apis mellifera mellifera) über 600 Arten in Deutschland, davon mind. 39 ausgestorben, mind. 41 Hummelarten
Generalisten von bis zu 50 kg Pollen pro Volk und Jahr 30% sind Spezialisten, die auf Pollen von einzelnen Pflanzenarten oder Familien angewiesen sind
Brauchen viel Nektar, um viel Honig zu machen (Überwinterungsproviant). Honigbienen sind hier wenig wählerisch und nutzen gerne auch exotische und invasive Pflanzen Einzelbienen benötigen nur wenig Nektar als Flugzehrung und machen keinen Honig. Bei der Nektarsuche nutzen auch spezialisierte Wildbienen ein breiteres Blütenspektrum als bei der Pollensuche
Brauchen viele Trachtpflanzen über das ganze Jahr von Feb. Bis Okt. Brauchen in ihrer Gesamtheit der Vielfalt der Bienen auch eine Vielfalt an Pflanzen
Werden vom Imker versorgt/ geschwächt (je nach Güte des Imkerhandwerks) Müssen alleine durchs Leben fliegen, allerdings werden z.B. Dunkle Erdhummeln in Gewächshäusern genutzt und dort mit Zuckerwasser versorgt
Fliegen erst ab 10 Grad Celsius aus ihrem Stock zur Futtersuche aus v.a. Hummeln können schon ab 3 Grad ausfliegen, bestäuben oft als Erstes
Brauchen gute Pollenquellen v.a. im Frühjahr, wenn ihr Volk wächst. Auch die Spätsommer-/Herbstlarven brauchen guten Pollen, da sie zu gut genährten Winterbienen werden, die 6 Monate lang überleben und die Königin in der Wintertraube wärmen müssen Benötigen Pollen über das Jahr verteilt, dies ist bei jeder Art unteschiedlich. Brauchen aber pro Individuum viel weniger für ihre Brut (Pollenbrot) als Honigbienen für ihr sog. Pollenbrett
Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen nutzen Honigbienen v.a. die Trachtpflanzen wie Raps. Wildbienen nutzen Monokulturen auch, jedoch ist ihr Flugradius viel geringer (mit Ausnahme von Hummeln wenige hundert Meter)

Stärken der Honigbienen gegenüber den Wildbienen:

  • Hoher Organisationsgrad durch Kundschafterinnen und Schwänzeltanz zur Mitteilung von Trachten vs. Individuen
  • Massenaufkommen von 50 000 Individuen pro Volk (kommt in der Natur nicht vor)
  • Rückgriff auf Futtervorräte für Schlechtwetterperioden
  • Bis zu 10 km Flugradius vs. wenige hundert Meter
  • Können zu trachtreichen Plätzen transportiert werden
  • Haben künstlichen Bau vs. selbständige Suche nach Strukturen zum Nisten vor Ort
  • Bis zu 120 – 180 kg Nektar und 30 – 60 kg Pollen pro Volk und Jahr
  • Honigbienen sind dadurch sehr konkurrenzstark!
Thesen - pro Wildbiene
Zaunrüben-Sandbiene, Foto von Roland Günter

Wildbienen haben es durch Lebensraumverlust und Umweltgifte schwer genug. Die Konkurrenz durch Honigbienen vermindert die Reproduktion zusätzlich

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Wildbienen im Einflussbereich von Honigbienen durch Nahrungskonkurrenz an Fitness verlieren und sich weniger gut vermehren können (vgl. Zurbuchen, Müller 2012, Goulson, Sparrow 2009 oder Evertz 1995). Dies erscheint durch die Menge an Pollen und Nektar, das von einem Honigbienenvolk eingetragen wird, nur allzu logisch.

Rechenbeispiel I: Etwa 8-10 Blütenköpfe der Wiesenwitwenblume (Knautia arvensis) benötigt die Knautien-Sandbiene Für die Versorgung einer Brutzelle. Bei anwesenden Honigbienen werden daraus 20-30 Blütenköpfe. Durch andere Umweltfaktoren kann dies sogar auf den Faktor 5 steigen (vgl Larsson, Franzen 2007).

Rechenbeispiel II: Pollen, die Honigbienen in 12 Tagen auf Rainfarn (Tanacetum vulgare) sammeln, reichen rein rechnerisch, um über 9 000 Larven der Gemeinen Löcherbiene (Heriades truncorum) bzw. über 4 000 Larven von der Gemeinen Seidenbiene (Colletes daviesanus) aufzuziehen (vgl. Hamm, 2008).

Die Anzahl der Bienen nimmt mit größer werdender Distanz stetig ab (Zurbuchen, Müller, Dorn 2010). Grafik aus https://www.agrarforschungschweiz.ch/wp-content/uploads/2019/12/2010_10_1604.pdf

Außerdem liegen die Flugdistanzen, die Wildbienen zurücklegen können, häufig unter einem Kilometer (vgl. Zurbuchen, Müller, Dorn, 2010). Durch die Zerstörung und Fragmentierung von Lebensräumen gibt es bei einer drohenden Nahrungskonkurrenz in diesem engen Radius um das Nisthabitat meist nur wenig Ausweichmöglichkeiten.

 

Das zeigt, dass Honigbienen großen Druck auf Wildbienen ausüben, insbesondere auf oligolektische Arten:

Hierbei sind oligolektische stärker gefährdet als polylektische Arten

Oligolektische Wildbienenarten, die also auf bestimmte Pflanzenfamilien angewiesen sind, da sie nur dort Pollen, Nektar oder Öle aufnehmen können, geraten stärker unter Druck, weil sie nicht auf andere Pflanzenfamilien ausweichen können.

Nach Abblühen der Massentrachten weichen Honigbienen auf der Suche nach Pollen und Nektar auf vereinzelte Blüten aus, die bis dahin von Wildbienen genutzt worden sind

Das Argument, dass Honigbienen vor allem für die Bestäubung landwirtschaftlicher Massentrachten wie Raps zuständig sind, greift zu kurz. Denn die Honigbienen werden nach Abblühen der Massentrachten und allgemein trachtarmen Zeiten besonders problematisch für die Wildbienen, was auch durch Umstellen der Stöcke verstärkt wird. Doch auch während Massentrachten weichen Honigbienen immer wieder auf die benachbarte Vegetation aus (vgl. Walther-Hellwig 2006).

Auch für manche Pflanzen ist die massive Anwesenheit von Honigbienen nachteilig

Auch für Wildpflanzen kann eine massive Anwesenheit von Honigbienen Nachteile haben. Diese Pflanzen sind teilweise auf die besondere Anatomie (wie die Rüssellänge) passender Wildbienenarten angewiesen, die durch die Anwesenheit von Honigbienen verdrängt sein können. Als Folge daraus kann eine Bestäubung ausbleiben (vgl. Geldmann, González-Varo 2018).

In Naturschutzgebieten und für Wildbienen „günstige Habitate“ wie Magerwiesen sollten daher mit einem Puffer von 3 km keine Honigbienenbeuten aufgestellt werden. Dies betrifft vor allem kleinflächige Schutzgebiete

Am stärksten bildet sich das Problem in kleinflächigen Habitaten ohne Ausweichmöglichkeiten für Wildbienen ab. Zur Erinnerung: Wildbienen fliegen meist nur 100 bis 200 Meter weit. Daher sollten in Naturschutzgebieten und in für Wildbienen günstige Habitate wie trockenwarme Magerwiesen keine Beuten mit Honigbienen aufgestellt werden. Da Honigbienen Flugdistanzen von 3 Kilometern überbrücken, sollte eine Pufferzone um die mit Wildbienen besetzten Habitate geschaffen werden (vgl. Positionspapier Deutsche Wildtier Stiftung).

 

Anders argumentieren hingegen der Imkerei nahestehende Verbände:

Thesen - pro Honigbiene
Honigbienen am Flugloch, Foto von Johannes Weber

Die Imkerei ist seit Jahrhunderten Teil von Kulturlandschaften und prägt diese

Heidegebiete waren oft Gegenstand von Untersuchungen, die die Honigbienen als zu starke Konkurrenz identifiziert haben (vgl. Evertz 1995). Dies ist jedoch weder eindeutig, noch pauschal zu beantworten, sondern muss im Einzelfall betrachtet werden. Gerade in der Heide sind Honigbienenstöcke seit Jahrhunderten kulturhistorisch prägend und Teil der einzigartigen Kulturlandschaft (vgl. Boecking 2018).

Honig- und Wildbienen ergänzen sich und bestäuben effektiv zusammen, sie bilden eine eingespielte Koexistenz

Aus der vorhergehenden These lässt sich ableiten, dass die Honigbiene mit Spezialistinnen wie der Heidesandbiene und der Heidenseidenbiene samt deren Kuckucksbienen seit Jahrhunderten koexistieren und die für Heidepflanzen wie Calluna-Arten genetisch wichtige Bestäubung gemeinsam sichern, ohne dass eine Art verdrängt wird. Für solche Thesen fehlt zudem eine weitere Forschung. Die von Evertz vorgelegten Ergebnisse aus Norddeutschland aus kleinen Heideflächen lassen sich nicht auf die große Heidefläche übertragen (ebd.).

Viel stärker als durch Honigbienen geraten Wildbienen durch Zerstörung von Lebensräumen unter Druck

Die Bedrohung vieler Wildbienenarten ist sehr viel mehr auf die Zerstörung von Lebensräumen als auf Honigbienen zurückzuführen. Wildbienen mangelt es neben Blühpflanzen vor allem an Nistmöglichkeiten und vernetzten Lebensräumen (ebd.).

Kommentar: Dass jedoch eine massive Präsenz von Honigbienen Druck auf Wildbienen ausübt, wird auch hier nicht bestritten (vgl. Stellungnahme – AG der Institute für Bienenforschung).

 

Aus der letzten vorgetragenen These lässt sich folgende Forderung ableiten: 

Ein Kompromiss?

Naturschutz und Imkerei sollten gemeinsam gegen zerstörerische Faktoren vorgehen, dann profitieren beide

Im gemeinsamen Interesse des Naturschutzes und der Imkerei muss Ziel sein, die Blühvielfalt zu erhöhen. Die fortwährende Natur- und Habitatzerstörung muss gestoppt werden. Faktoren sind hierbei Flächenfraß, Habitatzerschneidung, Pestizid- und Stickstoffeintrag sowie die Klimaerwärmung.

Zudem birgt die Konkurrenzdebatte die Gefahr, dass von diesen grundlegenden Problemen abgelenkt wird (ebd.).

Kleinflächige Restbiotope sollten frei von Honigbienen bleiben. Auch bei großflächigeren Naturschutzgebieten sollten nicht mehr Honigbienenvölker aufgestellt werden, als die „gute imkerliche Praxis“ erlaubt (so der Standpunkt der Imker, vgl. Boecking 2018), bzw. in Naturschutzgebieten auf die Aufstellung von Honigbienenbeuten verzichtet werden (so der Standpunkt des Naturschutzes).

Werden diese Ziele erreicht, profitieren Wild- und Honigbienen, so dass die Konkurrenz zwischen beiden deutlich abgemildert ist.

Für Naturschutzgebiete bietet sich aber noch ein weiterer Ansatz an:

Naturschutzgebiete oder für Wildbienen wertvolle Gebieten sollten für die Reinzucht von Honigbienenköniginnen genutzt werden

Bei Reinzucht von Honigbienenköniginnen ist es im Interesse der Imkerei, weitere Honigbienenvölker auf Abstand zu halten, da ansonsten unerwünschte Drohnen die Königin begatten und das gewünschte genetische Ergebnis verfehlt wird. So ist es auch im Interesse der Imkerinnen und Imker, dass dort keine weiteren Honigbienenvölker aufgestellt werden und die Anzahl der Honigbienen im Gebiet gering bleibt (Argument vorgebracht von Dr. Andreas Fleischmann, München, beim Münchner Bienentalk, 2020).

 

Fazit?

„Wildbienen können in struktur- und blütenreichen Landschaften mit einer angemessenen Zahl an verantwortungsvoll gehaltenen Honigbienen-Völkern zurechtkommen.  Bis dieser Zustand aber erreicht ist, heißt es: Wildbienen first!“ (Burger 2018).

Schutzzonen für Wildbienen?

Erkenntnisse aus Berlin

Die Wissenschaft ist sich uneinig, inwieweit Honigbienen den Wildbienen schaden. Eine Konkurrenz ist sehr wahrscheinlich vorhanden. Jedoch gehen einige Forscher davon aus, dass sich nach jahrhunderterlanger Imkereikultur eine Koexistenz eingestellt hat (Boecking 2018). Um jeden möglichen Schaden zu verhindern, sollte jedoch eine Pufferzone zwischen Naturschutzgebieten und Honigbienenstöcken von mindestens 1 km eingehalten werden (Mallinger, Gaines-Day, Gratton 2017).

Grafik 1 zum Schutz der Wildbienen in Berlin
Chart 1 © Peter Müller, Dominik Jentzsch

Auf dem ersten Chart sind vier Flächen zu sehen, auf denen die Stiftung für Mensch und Umwelt im Rahmen ihres BfN-Projektes „Treffpunkt Vielfalt“ sogenanntes Abstandsgrün biodivers gestaltet hat. Auf diesen Flächen, jede etwa 1.500 Quadratmeter groß, können die Artenzahlen der Wildbienen und Tagfalter und ihre Fundorte genau belegt werden. Hier haben Dr. Daniel Rolke und Dr. Oliver Schmitz in den Jahre 2018 bis 2021 Wildbienen und Tagfalter systematisch erfasst.

Um diese Flächen herum ist ein Radius von 3.000 Meter gezogen. Die Idee dahinter: Um besonders den Schutz von oligolektischen Wildbienenarten zu erhöhen, dürfte innerhalb dieses Radius kein Honigbienenvolk aufgestellt und von Imkern und Imkerinnen bewirtschaftet werden. Die Bienenhalter wären angehalten, dieser Bitte zum Schutz der Wildbienen Folge zu leisten.

Grafik 2 zum Schutz der Wildbienen in Berlin
Chart 2 © Peter Müller, Dominik Jentzsch

Beim zweiten Chart hat die Stiftung für Mensch und Umwelt die von Dr. Christoph Saure, Berlin, in den letzten Jahren ausgewiesenen Wildbienenhabitate eingetragen. Zu sehen ist ein innerhalb der Landesgrenzen befindlicher „Streuselkuchen“ von etwa 60 Flächen unterschiedlicher Größe, die nachweislich alle als Insektenebensräume erfasst und mit Wildbienen von zwischen 50 und 150 Arten belegt sind.

Grafik 3 zum Schutz der Wildbienen in Berlin
Chart 3 © Peter Müller, Dominik Jentzsch

Der dritte Chart zeigt nun erneut die über 60 Wildbienenlebensräume im Land Berlin, dieses Mal ergänzt um die 3.000 Meter großen Radien um die einzelnen Flächen herum. Wenn der Idee Folge geleistet werden soll, als Imker oder Imkerin mit den Honigbienen nicht in Nahrungskonkurrenz mit den Wildbienen (und anderen Taxa) zu treten, dann würde das heißen, dass nur noch in zwei kleineren Flächenarealen das Aufstellen von Honigbienenvölkern durch Imker bzw. Imkerinnen gestattet wäre.

Erkenntnisse aus der Schweiz

Honigbienen konkurrieren mit Wildbienen und anderen Blütenbesuchern um Nektar und Pollen. Dieses Phänomen wird auch in der Schweiz beobachtet. Eine neue Studie der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL bestätigt diese Konkurrenz. Sie deutet darauf hin, dass die urbane Biodiversität unter den Honigbienen leidet.

Hier finden Sie die Originalpublikation mit dem Titel „Zu viel Imkerei in Schweizer Städten könnte sich nachteilig auf Bestäuber auswirken“.

Kontakt

Stiftung für Mensch und Umwelt
Dr. Corinna Hölzer & Cornelis Hemmer
Hermannstraße 29, D - 14163 Berlin
Tel.: +49 30 394064-310
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Auszug aus dem Lobbyregister

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